Auf die Knie für die Wikinger
Mit großer Vorsicht wird Millimeter für Millimeter von Samsøs Tonerde abgeschabt. Jeder einzelne schwarze Punkt wird markiert, gemessen und registriert, während die Studentenknie immer schwärzer und schwärzer werden und mehr und mehr weh tun. Das ist wirklich kein Sommerurlaub – oder vielleicht doch.
Von Harvard nach Brundby
Die jungen Menschen, die man auf dem Feld antreffen kann, sind aus Amerika nach Tønnesminde in der Nähe von Brundby gekommen, um drei Wochen lang die Vergangenheit auszugraben. Die meisten von ihnen sind Studenten der renommierten Harvard Universität, wo Stephen A. Mitchell als Professor für Skandinavische Sprachen und Volkskunde arbeitet.
Seit 2007 ist Stephen ein zentrales Element des Sommerschulprogramms, das offiziell „Wikinger Studien in Skandinavien“ genannt wird. „Wikingerstudien sind ungemein faszinierend und dieses Zeitalter könnte in vielen verschiedenen Fachgebieten wie Sprache, Religion, Philologie, Archäologie und Volkskunde interessant sein“, erklärt Stephen. „Ein wichtiger Teil meiner Arbeit ist die Integration von Legenden und Mythen in die eher wissenschaftlich archäologische Disziplin und die Kombination von diesen zwei Blickwinkeln trägt sicher dazu bei, dass unsere Sommerschule bei Studenten so beliebt ist“.
Madeleine Woods, eine Studentin der Volkskunde und Archäologie in Harvard, stimmt dem zu. „Sommerkurse geben mir die einzigartige Möglichkeit, meine Studien mit neuen Dimensionen zu erweitern – sowohl theoretisch als auch praktisch und alles davon konzentriert sich auf einen sehr faszinierenden historischen Zeitabschnitt.“
Das historische Zentrum
Die Wochen auf Samsø konzentrieren sich vorrangig auf die Ausgrabungsstätte in der Nähe von Tønnesminde östlich von Brundby, der archäologisch zentrale Punkt dieser drei erfolgreichen Wochen des Sommerschulprogrammes.
„Der aktuelle Beginn datiert sich auf das Jahr 2010, als ein Forscherteam mehrere Objekte fand, die auf Aktivität im Wikingerzeitalter deuteten“, erklärt Ausgrabungsverwalter Peter Jensen von der Aarhus Universität. „Während der drei Jahre, die wir mit Harvard vor Ort waren, haben wir mehr als eintausend Quadratmeter ausgegraben und Anzeichen von Aktivität seit dem frühen Steinzeitalter gefunden.“
Die zahlreichen archäologischen Funde beweisen, dass dieses Gebiet besonders aktiv war, sowohl in der Eisenzeit als auch im Wikingerzeitalter. Außerdem gibt es Hinweise, dass Tønnesminde ein Schmiedegeschäft besaß und in der Textilproduktion sowie im Handel beteiligt war, das schließt auch Seifensteine aus Norwegen mit ein.
Alles spielt eine Rolle dabei, ein genaueres Bild davon zu erhalten, wie Samsø im Wikingerzeitalter aussah. „Aus den historischen Quellen, von verschiedenen Orten, die es noch auf der Insel gibt und natürlich aus dem Kanhave Kanal wissen wir, dass Samsø ein sehr wichtiger Ort während des Wikingerzeitalters war“, erklärt Stephen und zitiert dann mit viel Begeisterung aus dem Gedicht „Den Ældre Edda“, aus dem wir erfuhren, dass Odin sejd (Hexenzauber) auf Samsø ausgeübt hatte.
Roggenbrot und Kartoffeln
„Samsø ist so wunderbar“, rufen die drei Mädchen fast gleichzeitig, wenn man sie fragt, ob es nicht ein wenig langweilig sei, drei Wochen im Sommer auf einem schmutzigen Feld zu arbeiten. Zum Glück stellt sich heraus, dass sie auch die Gelegenheit bekommen, andere Teile der Insel zu entdecken.
„Wir leben in Ballen, wir gehen also viel zum Strand und zum Hafen. Wir haben einige wunderschöne Fahrradtouren gemacht und hoffen darauf, mit Seekajaks zu segeln“, sagt Catie Pate, ebenfalls Harvard Studentin. „Es ist so cool, weit weg von zu Hause mit anderen Studenten zu sein, die genau wie ich von der Geschichte fasziniert sind“, erklärt Catie.
Die Amerikaner sind sehr beeindruckt von der Natur der Insel und den Energie-Initiativen. Hannah Krystal von der Yale Universität erklärt: „Es ist fantastisch, dass eine so kleine Insel so viel Geschichte und so viel abwechslungsreiche Natur bereithält und das Essen ist etwas ganz Besonderes. Einige von uns haben sich total in Roggenbrot und Kartoffeln verliebt.“
Fakten
• Die Sommerschule ist eine Partnerschaft zwischen der Harvard Universität, Aarhus Universität und dem Moesgaard Museum.
• Die Sommerschule dauert acht Wochen, inklusive drei Wochen auf Samsø.
• Die Kurse sind in drei Teile geteilt: Geschichte und Archäologie, Literatur und Volkskunde, Feldarbeit.
• USA Today, eine der größten US-Zeitungen, bewertet die Sommerschule auf einer Top 7 Liste der einzigartigsten Studienprogramme im Ausland.